Konzept
Das Behandlungskonzept beruht auf einem ganzheitlichen bio-psycho-sozialen Ansatz. Therapiemethoden, die am Körper, an der Psyche und im sozial-systemischen Bereich ansetzen werden individuell zu einem wirkungsvollen Behandlungsplan integriert.
Die Psychotherapie basiert auf dem Persönlichkeits- und Krankheitsverständnis der Psychoanalyse. Der tiefenpsychologische Therapieansatz wird methodenübergreifend ergänzt durch eine Vielzahl weiterer wissenschaftlich anerkannter Therapiemethoden: in erster Linie  Verhaltenstherapie in diversen Ansätzen (bis hin zu den Methoden der sogen. 3. Welle), daneben gefühls- und erlebensaktivierende Verfahren. Die sogen. „therapeutische Gemeinschaft“ dient dabei als Übungsfeld für die Erprobung und Reflexion neuer Erfahrungen und Verhaltensweisen in einem geschützten Rahmen.
Im Verlauf der psychotherapeutischen Behandlung lernt der Patient, die krank machenden Einflüsse in seiner Biographie und persönlichen Lebensführung besser zu verstehen und angemessenere, d.h. „gesündere“ Einstellungs- und Verhaltensweisen zu entwickeln. Dies geschieht in vertrauensvoller und angstfreier Atmosphäre unter Anleitung eines Arztes oder Psychologischen Psychotherapeuten.
Psychotherapie ist Hilfe zur Selbsthilfe und verlangt somit eine aktive Mitarbeit des Patienten. Die „Behandlung“ soll im Verlauf zunehmend in ein eigenverantwortliches „Handeln“ übergehen.
Diagnostik
Unser Prinzip: Die korrekte Diagnose ist Grundlage einer wirkungsvollen Behandlung.
Die erste Woche in der Hans Carossa-Klinik steht für jeden Patienten/jede Patientin im Zeichen einer eingehenden diagnostischen Abklärung.
Auch im diagnostischen Bereich folgen wir unserem bio-psycho-sozialen Grundkonzept.
Biologisch-körperliche Diagnostik:
Klinische allgemeinmedizinische Untersuchung.
Klinische neurologische Untersuchung.
Analyse krankheitsrelevanter Laborparameter.
EKG.
Einholung und Bewertung körperlicher Vorbefunde.
Optional: Analyse der Herzratenvariabilität.
Psychologisch-soziale Diagnostik
Eingehende testpsychologische Untersuchung.
Ausführliche Erarbeitung der biographischen Vorgeschichte und der aktuellen Lebenssituation (sogen. Anamnese) unter Berücksichtigung von klinischen, psychologischen und sozialen Gesichtspunkten. Hier werden die Zusammenhänge ermittelt , die der Erkrankung und der Persönlichkeitsausprägung zugrunde liegen. Ein vom Patienten selbst erstellter Lebenslauf wird evt. in diese Arbeit mit einbezogen.
Einholung und Beurteilung von psychiatrisch-psychotherapeutischen Vorbefunden.
Einbezug von Angehörigen in Form der sogen. Fremdanamnese.
Ermittlung der Entspannungsfähigkeit mittels Biofeedback.
Therapeutisches Spektrum
Biologisch-körperliche Therapieansätze
Je nach Art und Schwere einer psychischen Erkrankung kann eine medikamentöse Therapie mit sogenannten Psychopharmaka, meistens Antidepressiva vorübergehend, oder auch dauerhaft erforderlich sein. Unsere Devise heißt hier: So wenig wie möglich, aber soviel wie nötig. Die Behandlung orientiert sich an den maßgeblichen Leitlinien zur Depressionsbehandlung der deutschen Fachgesellschaften (AWMF).
Besonders bei der saisonal abhängigen Depression (SAD), aber auch bei anderen Depressionsformen, führt die tägliche Exposition mit hellem Kunstlicht häufig über eine vermehrte Serotoninausschüttung im Gehirn zu einer Verbesserung von Stimmung und Antrieb. Auch bei Schlafstörungen kann diese Methode eingesetzt werden. Ebenso gibt es Hinweise für günstige Auswirkungen der Lichttherapie bei der Bulimie und anderen Essstörungen mit vermehrter Nahrungsaufnahme.
Der vollständige oder partielle Schlafentzug (ab 1:00 Uhr) während der Nacht führt bei depressiven Patienten häufig zu einer unmittelbaren Stimmungsaufhellung. Der Schlafentzug kann mehrfach wiederholt werden, dazwischen sind allerdings jeweils ein bis zwei „normale“ Schlafnächte erforderlich.
Regelmäßige körperliche Aktivität (Fitnesstraining, Ausdauersport) in angemessenem Umfang führt zu einer Stimmungsaufhellung, Entspannung und Lösung von Angstgefühlen. Durch Training von Kondition, Koordination und Ausdauer sollen – den individuellen Möglichkeiten angepasst – Vertrauen in den Körper und dessen Fähigkeiten entwickelt, Freude an der Bewegung entdeckt und spielerische Auseinandersetzung mit anderen eingeübt werden.
Die Physiotherapie trägt über eine Stabilisierung der vegetativen Funktionen zum körperlichen Wohlbefinden bei und ist somit Bestandteil des psychosomatischen Gesamtkonzeptes. Bäder, Massagen, Elektrotherapie, Fango- und Wärmeanwendungen werden daher in den Therapieplan integriert.
Psychotherapeutische Verfahren
In der vertrauensvollen Zweierbeziehung von ärztlichem /psychologischem Psychotherapeuten und Patient werden die Zusammenhänge zwischen dem Krankheitsbild und emotionalen Problembereichen in der aktuellen Lebenssituation bzw. der Biographie bewusst gemacht. Es wird ein Krankheitsmodell erarbeitet, das Ansätze für sinnvolle Konfliktlösungen ermöglicht. In der Regel finden mindesten zwei Gespräche pro Woche über jeweils 50 Minuten statt.
Je nach Krankheitsbild und persönlicher Situation des Patienten werden dabei unterschiedliche Methoden eingesetzt:
Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
Analytisch-interaktionelle Psychotherapie
Verhaltenstherapie
Die Therapie wird in halbgeschlossenen Gruppen durchgeführt. Die Gruppe dient dabei gewissermaßen als Abbild der zwischenmenschlichen Umwelt „im Kleinen“.
Spezielle Schwierigkeiten, die die einzelnen Patienten im Umgang mit anderen Menschen haben, treten während der Gruppentherapie in Erscheinung und können in einem sicheren Rahmen bearbeitet werden.
Jeder Patient nimmt pro Woche an zwei Gruppensitzungen über jeweils anderthalb Stunden teil.
Auch bei der Gruppentherapie kommen wie bei der Einzelpsychotherapie (s.o.) unterschiedliche methodische Ansätze zur Anwendung.
Die KBT ist eine körperorientierte Methode, die die Einheit von Körper und Seele unmittelbar erfahrbar macht. Die Bedeutung des eigenen körperlichen Ausdrucks wird bewusst gemacht, ebenso auch die Selbstwahrnehmung im Kontakt mit anderen Menschen verbessert. Neue Ausdrucks- und Verhaltensweisen können entwickelt und erprobt werden. Die KBT wird in der Regel als Gruppensitzung (zweimal wöchentlich anderthalb Stunden) durchgeführt, bei besonderen Problemstellungen aber auch als Einzeltherapie (zweimal wöchentlich 50 Minuten).
EMDR steht für Eye Movement Desensitization and Reprocessing, d.h. auf Deutsch Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegung.
Die vor ca 30 Jahren in den USA von Dr. Francine Shapiro entwickelte Psychotherapieform dient der Behandlung von Traumafolgestörungen. Die hohe Wirksamkeit von EMDR ist durch zahlreiche wissenschaftliche Studien belegt, so dass dieses Verfahren jetzt auch in Deutschland Eingang in die Regelpsychotherapie gefunden hat.
Die Forschungsergebnisse zeigen: Nach der Behandlung einer einfachen posttraumatischen Belastungsstörung mit EMDR fühlen sich 80 Prozent der Patientinnen und Patienten deutlich entlastet – und das bereits nach wenigen Sitzungen.
Ein zentrales Element der EMDR-Behandlung ist die Nachverarbeitung der belastenden Erinnerung unter Nutzung bilateraler Stimulation: Die Patientin bzw. der Patient folgt den Fingern der Therapeutin mit den Augen, während diese ihre Hand abwechselnd nach rechts und links bewegt. Diese Stimulation unterstützt das Gehirn, die eigenen Selbstheilungskräfte zu aktivieren und die belastenden Erinnerungen zu verarbeiten.
Um sicherzustellen, dass das Trauma und alle mit ihm verbundenen Symptome fachlich fundiert aufgearbeitet werden können, empfiehlt der Fachverband EMDRIA Deutschland e.V., eine Behandlung nur von qualifizierten Ärztinnen, Ärzten, Psychologinnen und Psychologen durchführen zu lassen, die über eine Spezialausbildung in der EMDR-Methode verfügen. Dies ist auch in der Hans Carossa Klinik gewährleistet.
Ausgehend vom Konzept der „therapeutischen Gemeinschaft“ (s. oben) findet eine Großgruppe statt, bei der sämtliche Patienten zusammenkommen. In dieser Gruppe werden einerseits Themen behandelt, die aus dem Zusammenleben der Gemeinschaft resultieren, andererseits Aufklärungs- und Diskussionsmöglichkeiten über die Prozesse der Krankheitsentstehung und –bewältigung angeboten.
Beim Malen, Zeichnen und bei der Arbeit mit Ton erhalten auch unbewusste Gefühle und Gedanken eine äußere Gestalt. Hierdurch wird eine entwicklungsfördernde Wandlung der inneren Vorstellungen angeregt.
Im Vergleich mit der Gestaltungsweise der Mitpatienten lässt sich das Eigene besser erkennen und einordnen. Die Auseinandersetzung mit dem Material wird durch das Gespräch mit dem Kunsttherapeuten begleitet.
Je nach Krankheitsbild wird die Methode als Einzel- oder Gruppentherapie vermittelt. Begabung, Ausbildung oder besonders entwickelte Kreativität sind für diese Therapieform übrigens nicht erforderlich.
Es handelt sich um eine Gruppentherapie mit pychoedukativen und kognitiv-verhaltenstherapeutischen Ansätzen. Nach der Vermittlung von theoretischen Informationen über die Zusammenhänge von Gedanken, Gefühlen, Körperreaktionen und Verhalten in angstbesetzten Situationen werden Strategien zum Umgang mit Angst/Panik erarbeitet und Übungen in der Realsituation vorbesprochen und durchgeführt.
Die Depressionsbewältigungsgruppe ist psychoedukativ und kognitiv- verhaltenstherapeutisch ausgerichtet. Es werden eingehende Informationen über das Wesen der depressiven Erkrankung und deren Behandlungsmöglichkeiten vermittelt und Strategien zur Bewältigung depressiogener Einstellungs- und Verhaltensmuster eingeübt.
Eine sehr wirksame Methode der Stressbewältigung: beruhend auf Elementen der MBSR nach J.Kabat-Zinn wird die nicht-bewertende Wahrnehmung der Gegenwart und die gezielte Lenkung der Aufmerksamkeit vermittelt.
Die Tanz- und Musiktherapie schult die Körper- und Selbstwahrnehmung und vermittelt einen lebendigen Zugang zum Unbewussten und zur eigenen Gefühlswelt.
Mithilfe der Biofeedbackmethode werden dem Patienten nicht unmittelbar wahrnehmbare körperlich-vegetative Vorgänge über den Bildschirm unmittelbar rückgemeldet. Somit werden Zusammenhänge zwischen körperlichen und psychischen Reaktionen verdeutlicht und wertvolle Strategien des Selbstmanagements vermittelt.
Aufgrund unserer jahrelangen Erfahrung wird als Entspannungsverfahren überwiegend die rasch erlernbare Methode der Progressiven Muskelentspannung nach Jacobson vermittelt. Dieses Verfahren befähigt die Teilnehmer bereits nach kurzer Zeit Spannungszustände im eigenen Körper besser wahrzunehmen und auch unter schwierigen Bedingungen (Stress) Entspannung selbst herbei zu führen. Die Gruppe findet in einem Turnus von insgesamt acht Sitzungen zu jeweils dreißig Minuten zweimal wöchentlich statt.
Qigong ist eine Behandlungsmethode aus der Traditionellen Chinesischen Medizin, die Bewegungs-, Atem-, Entspannungs- und Aufmerksamkeitsübungen verknüpft. Sie stärkt die Fähigkeit zur Selbstregulation und aktiviert die Selbstheilungskräfte des Körpers und der Seele.
Das TSK findet in Kleingruppen von 3–4 Teilnehmern zweimal wöchentlich 90 Minuten statt.Ziel der Arbeit ist die Erweiterung des Verhaltensrepertoires von Patienten mit Verhaltensproblemen im zwischenmenschlichen Bereich. Das TSK beinhaltet Rollenspiele und Übungen in der Realsituation. Es ist einerseits geeignet für überängstlich-schüchterne Personen, andererseits auch bei als überschießend-unkontrollierbar erlebten Verhaltensproblemen.
Durch kreatives Werken (z.B. Bastelarbeiten, Malen, Weben, Töpfern) werden Kreativität, Phantasie und Selbstvertrauen in eigene Fähigkeiten gefördert sowie Ausdauer und Zielstrebigkeit positiv beeinflusst.
Nach professioneller Einführung steht die ergotherapeutische Werkstatt den Patienten bis 22.00 Uhr stets offen zur Verfügung.
Behandlungsphase
Ausgehend von den medizinischen und psychotherapeutischen Zielsetzungen wird für jeden Patienten ein individueller Behandlungsplan erstellt, der auf seine Erkrankung und die jeweiligen persönlichen Gegebenheiten abgestimmt ist. Dabei ist es uns sehr wichtig, den Patienten „dort abzuholen, wo er gerade steht“.
Jeder Patient erhält ein Behandlungsbuch, in dem die therapeutischen Maßnahmen wöchentlich festgehalten werden. Ein Wochenplan für einen Patienten mit einer Angststörung könnte beispielsweise so aussehen:
Beispiel : Wochenplan Angststörung
Montag | Dienstag | Mittwoch | Donnerstag | Freitag | Samstag | Sonntag | |
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8:00 – 9:00 | Körpertherapie | Körpertherapie | Körpertherapie | Körpertherapie | Körpertherapie | Körpertherapie | Körpertherapie |
9:00 – 10:00 | Einzeltherapie TP | Balneo- physikal. Th. | Körpertherapie | Einzeltherapie TP | Balneo- physikal. Th. | ||
10:00 – 11:00 | Einzeltherapie TP | Gr. Angstbewältigung | Gr. Gestaltungsth. | Gr. Wochenreflektion und Transfer | |||
11:00 – 12:00 | PMR | Entspannung | PMR | Gr. Gestaltungsth. | |||
12:00 – 13:00 | Mittagessen, Ruhezeit | Mittagessen, Ruhezeit | Mittagessen, Ruhezeit | Mittagessen, Ruhezeit | Mittagessen, Ruhezeit | Mittagessen, Ruhezeit | Mittagessen |
13:00 – 14:00 | Gr. Angstbewältigung | Gr. Musiktherapie | Gr. Terraingestuftes Training | ||||
14:00 – 15:00 | VT-Gr. | Gr. Gestaltungstherapie | Terraingestuftes Training | VT-Gr. | Gr. Musiktherapie | ||
15:00 – 16:00 | VT-Gr. | Gr. Gestaltungstherapie | Terraingestuftes Training | VT-Gr. | |||
16.00 – 18:00 | Achtsamkeitsgruppe | Soziale Kompetenz TSK | Soziale Kompetenz TSK | Achtsamkeitsgruppe | |||
18:00 – 19:00 | Abendessen/Ruhezeit | Abendessen/Ruhezeit | Abendessen/Ruhezeit | Abendessen/Ruhezeit | Abendessen/Ruhezeit | Abendessen/Ruhezeit | Abendessen/Ruhezeit |
19:00 – 20:00 | Gesellschaftsabend | Qigong | Kulturabend |
Gr=Gruppe Th= Therapie TP=tiefenpsycholog. fundierte Psychotherapie VT=Verhaltenstherapie PMR=progressive Muskelrelaxation n. Jacobson
Der Behandlungserfolg wird in der Mitte und am Ende des stationären Aufenthalts durch Selbstbeurteilungsverfahren evaluiert, daneben noch wöchentlich durch Expertenratings.